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Der Heilige Geist und die Idioten

Auch dieses Jahr veranstaltete die Gemeinde in Beyenburg ein Jugendlager in Nottuln zu Pfingsten. Bruder Dirk besuchte dieses am Pfingstsonntag und hielt einen kleinen Wortgottesdienst ab. Ich schrieb dazu eine kleine Predigt, die nun hier veröffentlicht wird:

Wir kennen sie alle, wir lieben es, sie so zu nennen. Nur wenige Beleidigungen haben eine so andauernde, wie die des Idioten. Und das nicht ohne guten Grund. Ähnliche Wörter, von denen man meinen könnte, sie würden den Idioten ersetzten, wie „Dummkopf“ oder „Vollpfosten“ kommen nicht an die Wortgewalt und Finesse der Idiotie heran. Aber die wenigsten wissen, was das überhaupt bedeuten soll oder aus welcher Sprache dieses Wort stammt. Deswegen lasst uns ein wenig über diese Bedeutung sprechen: Das Wort „Idiot“ stammt aus dem altgriechischen und ist verwandt mit dem „Idion“, was so viel bedeutet wie „das Eigene“. Ein Idiot ist, ausgehend von dieser Herkunft, jemand, der das Eigene zum Maßstab seiner Welt und zur Richtschnur seines Handelns macht. Jemand, der immer nur das tut, was er selbst will und der dementsprechend jedem anderen gehörig auf die Nerven geht. Aus dieser Bedeutung leitet sich auch die umgangssprachliche Bestimmung des Idioten, als Jemand, der etwas Pech beim Denken hat, ab. Denn wer immer nur sein eigenes Empfinden und seine eigene Erfahrung beachtet, der ist im wahrsten Sinne beschränkt, nämlich auf eine einzige Perspektive, die eben nur er verstehen kann. Gerade heute, an Pfingsten, sollten wir uns jedoch fokussieren auf das Gemeinsame, auf dasjenige, was wir alle gemeinsam haben. Die Welt um uns herum und die anderen. Denn der Heilige Geist, der an Pfingsten die Jünger zur Verkündigung aufgerufen hat, verkörpert gerade nicht das Eigene, das „Idion“, sondern das Gemeinsame, das „Koinon“. Die Verbindung zwischen uns, die den fremden Anderen zum Freund oder zur Schwester werden lässt. Das Mitgefühl und die Verbundenheit, die wer empfinden, wenn wir bemerken, dass uns der anderen nicht egal ist, dass wir verstehen wollen, wie die Welt des anderen aussehen könnte. Und das, was wir erreichen können, wenn in uns ein gemeinsamer Geist steckt. Wir kennen diese Formulierung auch vom Sport; dort sprechen wir vom Team-Geist, das Gefühl, das uns dazu antreibt, für unsere Mitspieler Schmerz zu ertragen und alles zu geben, was in uns steckt, in der Gewissheit, dass der anderen es ebenso tut. Das ist es, wenn wir vom Geist sprechen oder auch von der Geistesgeschichte: Kein Idiot vermag es ägyptische Pyramiden zu bauen oder zum Mond zu fliegen. Diese Leistungen, ist nur der Geist fähig zu vollbringen.


Text von Phil Hückesfeld

 

Bildinformationen:

Altarflügel mit Marien- und Passiosszenen - Innenseiten: Passionszyklus - Pfingsten

Jan Bangert

Stadtmuseum Münster

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